Mag. Balazs Esztegar LL.M.
Rechtsanwalt Wien


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Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Vertriebenen

Mit der am 01.09.2020 in Kraft tretenden Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz ein weiterer Anwendungsfall für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Anzeige an die Behörde geschaffen. Während Personen, die als österreichische Staatsbürger vor der nationalsozialistischen Verfolgung im Zweiten Weltkrieg geflohen sind, schon lange die Möglicheit hatten, ihre frühere österreichische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen, wird diese Möglichkeit nun auf Nachkommen solcher Personen ausgedehnt.

Rechtsanwalt Mag. Balazs Esztegar LL.M. hat als einer der ersten Fachautoren diese Voraussetzungen für diesen Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft analysiert und bereits Anfang 2020 im Kapitel Staatsbürgerschaftsrecht im WEKA Handbuch Asyl- und Fremdenrecht beschrieben. Nachfolgend erläutert er die Voraussetzungen und den Ablauf des Verfahrens.

Ausdehnung des Wiedererwerbs der Staatsbürgerschaft auf Nachkommen

Kernbereich der Novelle ist die Ausdehnung der Möglichkeit des Wiedererwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Anzeige. Bereits bisher erlaubte § 58c Abs 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) einen vereinfachten und in mancherlei Hinsicht privilegierten Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für Personen, die vormals österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder Staatenlose jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet waren und sich als solche vor dem 15. Mai 1955 in das Ausland begeben haben, weil sie Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten oder erlitten hatten oder weil sie wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt waren oder solche zu befürchten hatten.

Mit 01.09.2020 wird diese Bestimmung auf Personen ausgedehnt, die Nachkommen in direkter absteigender Linie von Personen sind, die im Sinne der obigen Bestimmung die Staatsbürgerschaft erworben haben oder erwerben hätten können. 

Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft 

Personen, die früher entweder selbst Staatsbürger oder aber Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder Staatenlose jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet waren, müssen die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen und sie in einer geeigneten Weise bescheinigen können: 

  1. Dass sie österreichische Staatsbürger (oder Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder Staatenlose jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet) waren;
  2. Dass sie vor dem 15.05.1955 Österreich verlassen und sich ins Ausland begeben haben;
  3. Dass das Verlassen des Bundesgebietes wegen der Verfolgung durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich begründet war, weil sie entweder Verfolgung erlitten oder mit Grund zu befürchten hatten. 

Nachkommen solcher Personen müssen daher beweisen, dass 

  1. sie Nachkommen in direkter absteigender Linie einer Person sind, 
  2. auf die obigen Voraussetzungen zutreffen und die daher 
  3. die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat oder hätte erwerben können.

Insofern muss entweder ein bereits erfolgter Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft durch den betreffenden Vorfahren noch zu dessen Lebzeiten erfolgt sein, oder es muss bescheinigt werden, dass der - unter Umständen bereits verstorbene - Vorfahre die Staatsbürgerschaft auf dieser Basis hätte erwerben können, wenn er oder sie die entsprechende Anzeige an die Behörde eingebracht hätte. 

Notwendige Unterlagen

Das Gesetz nennt nicht explizit die für den Erwerb vorzulegenden Unterlagen. Es wäre angesichts der unterschiedlichen Lebens- und Fluchtsituationen auch schwer möglich, die notwendigen Urkunden genau zu bezeichnen. Jedenfalls sind nach dem Wortlaut des Gesetzes "unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel" erforderlich. 

Da es zu erwarten ist, dass die notwendigen Erhebungen sich schwierig gestalten können, kann die Staatsbürgerschaftsbehörde im Verfahren den Nationalfonds der Republik Österreich zur Beurteilung der Nachvollziehbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen als Sachverständigen beiziehen.